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Zahlen und Quellen

Auch wenn ich mich hier wiederhole, so möchte ich auf dieser Seite noch einmal verschiedene Zahlen und Quellen kompakt und übersichtlich zusammenstellen.
Es geht um die Behauptung, dass die meisten Prostitutierten unfreiwillig und unter prekären Umständen ausgebeutet würden.

1.) Wie viele Prostituierte gibt es in Deutschland?

Allgemein wird eine Zahl von 400.000 genannt, die von der Zeitschrift „Emma“ veröffentlicht wurde (Artikel „Huren auf die Barrikaden“ in Emma 2/1986 Seite 20).

Ebenfalls in „Emma“ wurde inzwischen eine Zahl von 250.000 genannt, erwähnt von Oberkriminalrat a.D. Helmut Sporer in dem Artikel Es kann nur besser werden! vom 27.2.2020.

Bemerkenswert ist dabei die Aussage von Herrn Sporer „Meines Wissens sind die meisten Prostituierten heute […] angemeldet“. Die Zahl der gemeldeten Prostituierten betrug im Jahr 2019 nämlich nur 40.400 (Quelle), das sind also lediglich 16% von den 250.000. Der größte Teil der Prostituierten — mehr als 200.000 — ist unregistriert.

Bei all diesen Betrachtungen darf nicht übersehen werden, dass ein deutlicher Teil des Prostitutionsgeschehens allein unter Männern stattfindet. Der Anteil männlicher Prostituierten wird oft mit 10% angegeben (z.B. in Ursachen, Formen und Risiken mann-männlicher Prostitution (2012). Karin Fink von der Kriseninterventionsstelle der Aids-Hilfe (KISS) in Frankfurt schätzt die Zahl der männlichen Prostituierten auf 600 bis 800, damit wären sogar 30 Prozent der Prostituierten männlich (Frankfurter Rundschau vom 16.4.2009: Die schwierige Lage männlicher Huren).

2.) Wo und wie arbeiten die Prostituierten?

Die GESA-Studie „Psychische Gesundheit von Sexarbeiterinnen in der Covid-19 Pandemie“ von Anna Mühlen, Janette Rudy, Anna Böckmann und Daniel Deimel vom Oktober 2021 enthält die folgende Tabelle mit Angaben von 50 befragten Sexarbeiter*innen:

Kontexte der Berufsausübung (n=50, Mehrfachangaben möglich)
56%Escort-Service
54%Privatwohnung
42%Hotelzimmer
36%Internetplattform
16%Sexualassistenz
12%BDSM-Studio
12%Auto
8%Saunaclub / Massagestudio / Swingerclub
6%Laufhaus / Bordell
2%Straßenstrich
2%Wohnwagen

Anmerkung: mir ist schleierhaft, wie man Saunaclubs, Massagestudios und Swingerclubs in einen Topf werfen kann, da in Massagestudios kein Geschlechtsverkehr angeboten wird. Außerdem wäre es interessant, die Bereiche Privatwohnung und Hotelzimmer aufzuteilen: wie viele Prostituierte besuchen die Kund*innen in deren Privatwohnung bzw. Hotelzimmer, und wie viele mieten sich selbst eine Privatwohnung oder buchen ein Hotelzimmer, um dort ihre Kund*innen zu empfangen?

3.) Wo stecken die Dunkelziffern?

Wie oben gesagt, haben wir etwa 200.000 Prostituierte, die nicht registriert sind und die offensichtlich eigenständig und selbstbestimmt zum größten Teil Haus- und Hotelbesuche machen bzw. in ihrer Privatwohnung oder in einem Hotelzimmer anzutreffen sind.

Diese Hypothese steht nicht ohne Beweise da: ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung zitiert eine Studie aus Berlin, Paris und Kiew, demnach finanzieren 3,7% der Studierenden in Berlin ihr Studium durch Prostitution. Auf ganz Deutschland (knapp 3 Millionen Immatrikulierte) hochgerechnet ergibt dies über 100.000 Prostituierte.

Auf ähnliche Zahlen (3% = 70.000 Studierende) kommt auch eine neue Untersuchung aus Großbritannien. Ältere Studien ergaben 4% in Québec und sogar 18,5% der Studentinnen in Kiew. Selbst in Schweden kam eine Studie aus dem Jahr 2006 (also 7 Jahre nach Einführung des Sexkaufverbots!) auf 1% der Studentinnen und 1,8% der Studenten, die Sex verkauft hatten – zusammen also 2,8%.

In den für Prostitution hauptsächlich relevanten Altersgruppen gab es 2018 laut BpB:
20 – 29 Jahre: 9,8 Millionen,
30 – 39 Jahre: 10,6 Millionen und
40 – 49 Jahre: 10,4 Millionen,
das sind zusammen 30,8 Millionen Personen. Davon studieren knapp 3 Millionen, und 23,8 Millionen studieren nicht. Das bedeutet, wenn nur 0,4% der Nicht-Studierenden zwischen 20 und 49 Jahren sich durch Nebenerwerbs- oder Gelegenheitsprostitution hin und wieder neben ihrem Hauptberuf etwas hinzu verdienen möchten, haben wir die übrigen 100.000 Prostituierten bereits gefunden.

4.) Schlussfolgerungen

Wenn wir aus der obigen Tabelle die Zahlen addieren, die man mit dem Rotlicht-Milieu assoziieren kann — also die kleinen Zahlen vom Wohnwagen bis zum Laufhaus — dann kommen wir auf insgesamt 18%. Also etwa der gleiche Anteil, die sich aus den Aussagen von Herrn Sporer ergibt.

Daraus folgt: wenn Herr Sporer sagt, dass die meisten Prostituierten registriert sind und wenn er weiter sagt, dass 80% der Prostituierten aus dem Ausland kämen und fremdbestimmt oder sogar unter Zwang arbeiten würden, dann kann davon ausgegangen werden, dass er sich dabei lediglich auf den relativ kleinen Anteil der registrierten und mit dem Rotlicht-Milieu assoziierten Prostituierten bezieht. Bezogen auf sämtliche 250.000 Prostituierte, schrumpfen die 80% auf weniger als 15% zusammen.

Die Aussagen von Herrn Sporer können daher keineswegs auf die große Anzahl der über 200.000 nicht angemeldeten Prostituierten übertragen werden, denn der deutlich größte Teil des Prostitutionsgeschehens spielt sich überhaupt nicht im von der Polizei beobachteten Rotlicht-Milieu ab, sondern im Escort-Service, in Privatwohnungen und in Hotelzimmern.

Somit ist es unzutreffend, wenn die Angaben von Herrn Sporer als kennzeichnend für den Gesamtkomplex Prostitution dargestellt werden, und es ist falsch, sie als Argument für die Einführung des Nordischen Modells heran zu ziehen.

Übrigens: wenn – wie oben erwähnt – 30% der Prostituierten männlich sind, kann der Anteil der fremdbestimmten, ausgebeuteten Osteuropäerinnen logischerweise sowieso nicht größer als 70% sein.

Nachtrag: in einer Rede vom 13.11.2022 sagte der belgische Justizminister Vincent Van Quickenborne „80 % der Sexarbeiterinnen in Belgien tun dies aus freien Stücken“ (Quelle).

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